Brief an einen Freund Auszug aus " Poetik des Lebens "

11.06.2013 16:42

Für wahr ist es fraglich, wie lange man mit seinen Gefühlen in der Schwebe bleiben kann, oder besser gesagt für wie lange man diese auf die Probe stellen kann, doch wie lautet die Antwort? Sie ist Individuell, das ist das Problem. Sie ist individuell wie jeder einzelne Mensch auf Erden. Es gibt also zu dieser Frage über  6 Mrd. Antwortmöglichkeiten. Aber ich brauche nur eine, die meinige. Doch leider weiß ich sie nicht. Ich denke die Grenze ständig  zu schrammen, bin mir aber nicht sicher, ob ich nicht doch in der Lage bin noch länger in diesem Stadion verharren zu können. Doch was soll man machen, wenn dein eigenes Leben durch Faktoren massiv beeinflusst wird, die man selbst nicht steuern kann? Verzweifeln, lächeln oder einfach aufgeben? Ich bin kein Mensch der Aufgibt, obwohl ich seit meiner Geburt kontinuierlich dort hingetrieben werde, so scheint es mir. Mir wird von Moment zu Moment Kraft geraubt. Gott sei Dank habe ich eine Frau kennengelernt, die mir zum ersten Mal richtig Kraft verleiht. Sie gibt mir Mut aufrecht zu gehen, stolz auf mich zu sein.  Sie hat mir unter anderem auch gezeigt was Liebe bedeutet, aber nun scheint sie an uns zu zweifeln. Immer dann wenn ich glaube mein Glück gefunden zu haben, wird es mir aus irgendeinen Grund entrissen. Wie oft kann ein Mensch solche Schmerzen ertragen, und das vor allem wenn er bis dato schon so viel ertragen musste? Warum glaubt  man mir nicht, wenn ich sage, ich liebe dich, ich will nur dich. Klingt das aus meinem Munde so verlogen? Ich weiß, dass ich ein Wirtschaftler bin und somit lange herzlos gelebt habe und teilweise noch dazu tendiere, aber habe ich mich nicht verändert? Entwickelt sich mein Charakter zu langsam oder bin ich zu wenig flexibel um einfach nur zweifellos geliebt zu werden? All diese Fragen plagen meine Gedanken. Ich fühle mich nicht schlecht deshalb, ich bin es gewohnt depressiv zu sein, aber es tut mir weh zu sehen, wie der Mensch, den ich liebe versucht sich seine Liebe zu mir auszureden. Warum tendieren die Europäer ständig dazu immer nur das Schlechte oder Gute zu sehen, aber nie beides in Harmonie? Meine Liebe reflektiert nun unsere Beziehung in ihren Gedanken, doch stützt sie sich ausschließlich auf das Negative und spricht nun von einer schlechten Beziehung, die sie belastet. Warum belaste ich immer? Ich glaube die Antwort zu wissen, doch ist es eine zu große Schmach für mich diese einzugestehen. Für wahr habe ich viel zu viele Fehler gemacht, und für wahr hat sie einen besseren verdient. Ach verdammt was schreibe ich da für einen Bullshit, sie hat keinen besseren verdient. Sie hat mich verdient, ich glaube daran, dass wir für einander bestimmt sind. Auch wenn sie immer meint, dass wir so grundverschieden sind, ich empfinde das nicht zur Gänze so. Unsere Grundgedanken sind sich in vielerlei Hinsicht ähnlich oder gar gleich, nur setze ich die Lösungen auf radikalerer Weise um. Reicht das um zu sagen, wir sind grundverschieden? Ich denke nicht. Meine Exfreundin ist FPÖlerin und ihre Familie hat noch Bezüge zur NS-Zeit, was ich erschreckender Weise durch Nachforschungen herausgefunden habe. Als wir zusammen waren, war ich Mitglied bei der revolutionären Sozialistischen Jugend, die einst von Bruno Kreisky gegründet wurde, und jeder weiß, dass das ganz schön weit links ist. Das sind Gegensätze in meinen Augen, das funktioniert nicht, und darüber bin ich auch im Nachhinein extrem froh. Denn diese Frau hätte mich wie eine Spinne ausgesaugt und mir mein Leben geraubt. Doch jetzt ist es nicht einmal ansatzweise so. Meine Liebe meint, dass ich eine bessere verdient habe, die auch mit meinem Kind klar kommt. Doch was hilft mir eine bessere, wenn ich sie nicht liebe und vor allem will ich keine andere lieben. Warum soll ich mein Glück ziehen lassen? Ich bin doch schon glücklich, wie kann das besser werden? Es gibt doch auch nicht die Steigerung glücklicher, warum soll das dann gehen? Von Zeile zu Zeile kommen immer mehr Fragen auf und ich weiß schon nicht mehr, wie du all diese Fragen beantworten könntest, aber mir scheint ein rationaler Zuspruch als beste Lösung für dieses Problem. Ich habe mich immer auf die drei Säulen meiner Lebenseinstellung: Rationalität, Liebe und Ethik gestützt, und diese immer mit Sorgfalt kombiniert, ist mir nun ein Fehler unterlaufen? Ist es falsch Rationalität mit Liebe zu paaren? Ach wenn all die Menschen, die in den letzten 5 Jahren zu mir kamen und um Rat suchten wüsten wie ratlos ich bin, ich denke nicht, dass mich dann jemand wieder um Rat fragen würde. Ich habe immer mit Rationalität versucht die besten Ratschläge auszuarbeiten und auf die Menschen einzugehen, was immer gut war. Doch warum gelingt mir dies im eigenen Leben nicht? Höre ich meine eigene Stimme nicht…

 

 

© Milan Thomas Buschenreiter

1.Auflage erschienen am 14.03.2009